Smart Home Cloud – Fluch und Segen
Die Smart Home Cloud. Ist sie wirklich so eine geniale Erfindung? Und was ist eigentlich die Smart Home Cloud? Fragen über Fragen, die in der Praxis oft gar nicht so einfach zu beantworten sind. Zumindest nicht in einem einzigen Satz.
Du hast es sicherlich mitbekommen, die Gigaset AG ist insolvent und die Smart Home Sparte hat einfach keinen Käufer gefunden (Quelle: Digitalzimmer). An sich erstmal kein großes Ding, wenn da nicht Gigaset Elements wäre. Ein System, das vielleicht nie die breite Masse begeistert hätte, aber durchaus interessant war. Vor allem für ältere Menschen, die mit der eigentlichen Technik so nicht viel zutun haben wollen. Wer weiß.
An sich wäre das alles vermutlich kaum spektakulär, wenn diese ganzen Ausfälle nicht immer wieder vorkommen würden. Denn Clouddienste haben einen Schwachpunkt: Sie sind abhängig.
Ich will dir in diesem Artikel ein bisschen mehr zum Thema erzählen und auch meinen Gedanken freien Lauf lassen. Denn das Thema Cloud ist an sich wahnsinnig interessant. Einerseits wegen der Möglichkeiten, andererseits weil sie wirklich fragil ist.
Die Cloud – ein fremder Rechner
In der IT gibt es einen Witz. Ein Witz, der es eigentlich sehr gut auf den Punkt bringt, wenn man sich das Thema Smart Home Cloud genauer ansieht:
There is no cloud. It’s just someone else’s computer.
Und warum ist das nun witzig? Weil es wahr ist. Die großen Versprechen von Clouds und Cloudlösungen gaukeln immer vor, dass die Dienste irgendwo im Nirvana fliegen. Sie sind da, wie eine natürliche Ressource. Doch das ist eben völlig falsch. Stattdessen stellt ein Unternehmen Dienste oder Infrastruktur (IaaS) zur Verfügung und der Nutzer muss sich nicht um die Wartung kümmern (Quelle: Was ist Cloud Computing). Er bezahlt dafür, dass er einen Dienst nutzen kann, ohne sich Gedanken um die Technik zu machen.
Eines der prominenteren Beispiele hierfür ist iCloud. Dort legst du deine Dateien ab, teilst Links zu den Dateien mit deinen Freunden und genießt einfach das unbeschwerte Leben (Quelle: Was ist iCloud). Betrachtet grundsätzlich nur das Thema Komfort, spricht vieles für die Cloud. Zum Beispiel auch, dass Unternehmen Dienste in Anspruch nehmen können, ohne dass sie hierfür eine eigene IT oder gar IT-Spezialisten brauchen.
Im Smart Home funktioniert das genauso. Nur dass du dort nicht einfach nur Dateien ablegst, sondern die Cloud für dich Aufgaben übernimmt.
Die Smart Home Cloud
Stell dir vor, du betreibst ein Smart Home. Dort gibt es gewisse Spielregeln für die ganzen Geräte. Also Skripte und Automationen, die den kompletten Ablauf regeln. Diese Skripte werden von dir gebaut und brauchen eine Umgebung, auf der sie ausgeführt werden.
Ich zum Beispiel nutze hierfür ioBroker. Andere nutzen OpenHAB oder Home Assistant. Alles Lösungen, die lokal in deinem Zuhause arbeiten können und nicht auf Clouds angewiesen sind.
Dennoch ist der Gedanke interessant, Rechenleistung an einer Stelle zu nutzen und eine Infrastruktur mehreren Menschen zur Verfügung zu stellen. Das kann unter Umständen Ressourcen einsparen, neue Funktionen schnell an viele Menschen bringen und die Geräte auch günstiger machen. Da man eben nicht jedes Gerät mit viel Leistung ausstatten muss. Es genügt, wenn es Informationen liefern und abrufen kann.
Die Smart Home Cloud ist also quasi im entfernten Sinne das Google Drive oder OneDrive der Smart Home Welt. Mit einem großen Schwachpunkt: Ohne sie ist das Smart Home tot. Und das kann dir als Nutzer sehr wehtun.
Der falsche Weg
Bislang ist es häufig so, dass Geräte nicht eigenständig betrieben werden können. Sie verlangen nach einer Verbindung „nach Hause“. Ein bisschen wie im Film E.T. – Der Außerirdische. Nur eben etwas realer. Und genau da fängt der Missstand an, den so viele Blogger, YouTuber, Experten und Co. verurteilen. Ein Gerät, für das du Geld bezahlst, muss in seinem Umfang nutzbar sein.
Die Cloud darf nicht derart tief in ein System integriert sein, dass ohne sie nichts mehr möglich ist. Man denke nur mal an einen Ausfall der Internetverbindung. Oder eben in diesem Fall an die Insolvenz von Gigaset. Im Endeffekt hat das zur Folge, dass du als Verbraucher mit einem Gerät hantierst, das gar nicht mehr funktioniert. Möglicherweise bereits nach wenigen Monaten oder sogar Wochen.
Wir müssen also insgesamt endlich mal damit anfangen, das bisherige Konzept Cloud zu hinterfragen und die Art und Weise verändern, wie wir sie nutzen wollen. Und dazu gehören auch die Endverbraucher. Denn Cloud ist an sich immer noch nichts schlechtes. Nur das Konzept zeigt, dass es so nicht funktionieren kann.
Doch warum kommt es eigentlich immer wieder zu solchen Situationen?
Das bisherige Konzept Cloud
Bislang verkaufte ein Hersteller Geräte und die ganzen Automationen oder Dienste im Hintergrund wurden auf der eigenen Infrastruktur betrieben. Für manche Hersteller hat das den Vorteil, dass sie dadurch entscheiden können, auf welche Funktionen ihre Nutzer Zugriff haben. Man macht sich selbst auch ein wenig das Leben leichter, indem man Fehler schneller beheben kann, da die Nutzer hierfür nicht erst Updates einspielen müssen.
Und man kann bestimmte Dienste kostenpflichtig machen, wenn man das denn möchte. Ein bisschen wie die Sitzheizung im BMW, die wohl eine Zeit lang das meist diskutierte Feature war (Quelle: Golem.de). Doch wenn man seine Cloud kostenlos betreibt, entstehen auch Herausforderungen. Und die findet man im Bereich der Finanzen.
Jede Cloud läuft entweder auf eigenen Servern oder bei einem Hoster. So oder so fallen dafür Kosten an. Seien es die monatlichen Kosten für den Hoster oder die Kosten für regelmäßige Wartung, Betrieb, Strom, … Die Liste ist lang.
All dieses Geld muss an anderer Stelle wieder rein geholt werden. Passiert das nicht, gerät das Unternehmen irgendwann in Schieflage und geht insolvent. Bei einer GmbH ist das für die Beteiligten oftmals weniger schlimm (und ich meine damit nicht die Arbeitnehmer). Denn schlussendlich kommen die aus der Nummer wieder raus (Quelle: IHK). Der Kunde ist jedoch derjenige, der dann in die Röhre schaut (Beispiel: Gigaset Home Care).
Zitat Gigaset: „Apps und verbundene Sensoren/Geräte werden dann nicht mehr nutzbar sein.„
Ein besserer Weg
Nun kann man auch über das Thema Smart Home Cloud in einem anderen Konzept diskutieren. Denn wie ich bereits sagte, ist die Cloud an sich nichts, was es strikt abzulehnen gilt. Im Gegenteil. Sie kann sogar hilfreich und nützlich sein, wenn man sie richtig nutzt.
Zwar habe ich auch kein Patentrezept in meiner Schublade, aber ich habe eine feste Überzeugung. Die Grundfunktionen von Geräten gehören ins Smart Home. Alles, was optional ist und „on top“ kommt, darf in die Cloud. Das hat nicht nur den Vorteil, dass man bei einem Internetausfall seine Geräte weiter nutzen kann. Stattdessen sichert das auch wiederum den gesamten Markt gegen wütende Mengen an Menschen ab, die zurecht ihren Unmut äußern.
Lass mich dazu ein Beispiel machen:
Du kaufst dir ein neues Smartphone und nutzt die herstellereigene Cloud für deine Dateien. Nach einer Weile geht der Hersteller in die Insolvenz und die Cloud wird abgeschaltet. Dein Smartphone kannst du aber weiter nutzen. Es fehlt lediglich eine Funktion, die du vielleicht sogar durch eine andere ersetzen kannst. Was ist die Konsequenz? Du hast Zeit, um dich nach anderen Lösungen umzusehen.
Diese Zentralisierung in fremden Händen ist insbesondere im Smart Home höchst problematisch. Denn man kauft sich eigentlich gar kein Gerät mehr, sondern nur noch ein Nutzungsrecht. Und dann sind die Geräte auch noch so gebaut, dass sie ausschließlich mit den eigenen Servern funktionieren.
So muss dein Smart Home aussehen
Übertragen wir all das nun etwas mehr in die Praxis. Denn es ist entscheidend, wie du dein Smart Home gestaltest. Du bist der Herr (oder die Frau) über deine eigenen vier Wände und solltest sie auch technisch aktiv gestalten.
Dazu gehört es, dass du Grundfunktionen ausmachst (zum Beispiel Licht) und das so in dein Zuhause integrierst, dass du es auch unabhängig vom Hersteller und dem Internet schalten kannst. Grundfunktionen gehören niemals in die Cloud und du musst unbedingt hellhörig werden, wenn dir das jemand vorsetzt.
Optionale Funktionen (zum Beispiel Sprachassistenten) dürfen über die Cloud funktionieren. Denn sie erweitern im Grunde nur deine Grundstruktur um weitere Funktionen. Wenn der Sprachassistent irgendwann nicht mehr funktioniert, dann kannst du dein Smart Home immer noch über andere Wege bedienen.
Genau das ist auch der Grund, weshalb du immer und immer wieder vor dem Kauf eines Produkts abchecken musst, in welche Kategorie es denn gehört. Und du solltest deine Käufe dahingehend ausrichten. Alleine durch den Preis wirst du kein vernünftiges Smart Home aufbauen können.
Mein Smart Home
Etwas zu predigen ist immer einfach. Es umzusetzen manchmal dagegen nicht so. Und auch ich muss zugeben, dass mache meiner Funktionen durchaus von der Cloud abhängen, obwohl ich das insgesamt eher so mittel finde. Zwar könnte ich auf diese Funktionen verzichten, sie sind aber oft tief in mein Zuhause integriert. Ein prominentes Beispiel dafür ist mein poweropti.
Allerdings versuche auch ich immer wieder, mein Zuhause zu optimieren und aus Fehlern zu lernen. Deshalb bin ich bei Neuanschaffungen auch immer wieder auf der Suche, ob ich nicht ein Produkt finde, das genauso funktioniert und weniger Abhängigkeit bietet.
Dabei ist die wichtigste Basis für mich mein ioBroker. Denn er läuft ausschließlich lokal und braucht für den Betrieb keine Cloud. Somit weiß ich für mich schon sicher, dass mein Smart Home auch in 2 Jahren noch betrieben werden kann. Vielleicht stehen nicht mehr alle Funktionen in der Form wie heute zur Verfügung, aber es würde dann nur Teile betreffen und nicht das ganze System.
Aber erzähl du mir doch mal, wie du das im Smart Home machst. Wählst du nach Abhängigkeit aus? Oder kommt es für dich nur auf den Preis an? Ich bin gespannt auf deine Meinung in den Kommentaren!
2 Kommentare
DarkWolfCave · 15. April 2024 um 00:27
Wie immer ein hervorragend geschriebener Artikel. Das trifft es im Kern und angenehm kurz gehalten.
Ich versuche auch immer mehr auf Cloud zu verzichten. Meist nutze ich es aus Bequemlichkeit leider noch viel zu viel.
Dennoch sollte nach deinem Artikel jedem klar sein, dass die Cloud einfach nur ein Server von jemand anderem ist. Der Spruch „There is no cloud. It’s just someone else’s computer.“ sagt eigentlich alles aus und mich begleitet er schon einige Jahre 😉
Nebenbei: Ich lese wirklich gerne deinen Blog 🙂
lg
DarkWolfCave
Lukas · 16. April 2024 um 07:44
Hey,
vielen lieben Dank für das nette Feedback. Das freut mich wirklich sehr!
Ich finde man kann durchaus auf die Cloud zurückgreifen. Aber man muss sich einfach darüber im Klaren sein, was das denn eigentlich bedeutet.
Und vor allem, welche Risiken es bergen kann.
Smarte Grüße