Die ultimative Smart Home Lüge

Veröffentlicht von Lukas am

Vor einiger Zeit habe ich mir ein YouTube-Video zum Thema Smart Home angesehen. Wie der Titel genau lautete, weiß ich leider nicht mehr. Mit Großbuchstaben wurde allerdings nicht gespart und insbesondere das Wort ultimativ wurde hervorgehoben. Da ich mir ganz gerne anderen Content ansehe (vielleicht auch deine Postings auf Instagram?), war ich natürlich sehr neugierig. Vielleicht kann man ja noch etwas lernen oder Inspirationen sammeln.

So ultimativ der Titel auch klang, so ultimativ war meine Enttäuschung. Kennst du das, wenn dir in einem Videotitel oder Thumbnail wahnsinnig viel versprochen wird und du voller Euphorie ins Video startest? Genau so erging es mir!

Ich saß vor dem Bildschirm und habe mich wirklich gefragt, ob der YouTuber mich eigentlich auf den Arm nehmen will.

Ultimativ?

Fehlanzeige!

Stattdessen wurde ich als Zuschauer 10 – 15 Minuten durch eine Wohnung geführt, die vereinzelt vernetzbare Geräte beheimatete. Das LED-Band, das der YouTuber so gehypt hatte, musste man sogar noch mit einer alten Fernbedienung einschalten. Wo ist das bitte smart?!

Mich überkommt noch heute das Gefühl, dass es auch hier wieder nur um die Klicks ging. Nicht, dass es schlecht ist, Klicks zu generieren. Aber bitte halte doch wenigstens das Versprechen, dass du deinen Zuschauern gibst.

Ein Abo am Ende des Videos habe ich übrigens dann nicht mehr verteilt. Der Grund dafür dürfte klar sein.

Das große, smarte Missverständnis

Statt ein Abo zu verteilen, habe ich mir am Ende nochmals einzelne Passagen des Videos angesehen. Dabei ist mir vor allem die – in meinen Augen – große Fehlinterpretation von Smart Home aufgefallen. Diese hält sich leider sehr hartnäckig, auch in meinem Umfeld.

Meiner Meinung nach kann man dann von einem Smart Home sprechen, wenn das Zuhause wirklich in die Richtung smart wandert. Das ist allerdings nicht der Fall, wenn einzelne Geräte eine Fernbedienung oder App besitzen. Hier muss man in meinen Augen von einer Appsteuerung sprechen. Mehr ist das nicht.

Smart fängt hingegen dort an, wo Geräte miteinander arbeiten und nicht nur einzeln. Sprich viele Geräte ergeben im Gesamten das Smart Home. So kann beispielsweise die Wetterstation nützliche Informationen zur Windstärke liefern, um die Rollläden bei einem Sturm herunterzufahren. Die Spülmaschine übermittelt kontinuierlich Informationen zum aktuellen Stromverbrauch, damit das Ende eines Spülvorgangs ermittelt werden kann.

Doch es müssen nicht gleich Automatisierungen sein.

Für mich genügt es schon, wenn ich sämtliche Geräte unter einer Oberfläche zusammenfassen kann, um diese auf einen einzigen Blick direkt checken und steuern zu können. Eine eigene VIS mit ioBroker ist hierfür ein gutes Beispiel.

Alles andere mag vielleicht per Smartphone steuerbar sein, da der Hersteller eine App zu seinem Gerät liefert. Smart Home ist das allerdings noch lange nicht.

Gibt es eine Definition für Smart Home?

In einem meiner anderen Beiträge habe ich schon einmal einen Blick auf die Definition von Smart Home in Wikipedia geworfen. Auch wenn Wikipedia für viele nicht mehr unbedingt die absolute Wahrheit ist (zurecht!), finde ich die Definition im ersten Satz schon sehr gelungen.

Smart Home dient als Oberbegriff für technische Verfahren und Systeme in Wohnräumen und -häusern, in deren Mittelpunkt eine Erhöhung von Wohn- und Lebensqualität, Sicherheit und effizienter Energienutzung auf Basis vernetzter und fernsteuerbarer Geräte und Installationen sowie automatisierbarer Abläufe steht.

Wikipedia, Smart Home, abgerufen am 19.08.2021

Schon allein am Ausdruck vernetzter und fernsteuerbarer Geräte erkennt man deutlich, dass es durchaus Voraussetzungen gibt, die ein Zuhause zu einem Smart Home machen. Während bei diesem besagten YouTuber zwar der Aspekt fernsteuerbar erfüllt wurde, fiel die Vernetzung völlig aus der Betrachtung.

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Nun könnte man auf die Idee kommen, dass beim Einsatz vieler einzelner Apps eine Vernetzung über das Smartphone vorhanden ist. Wirkt auf den ersten Blick schlüssig, doch auch hier gibt es eindeutig Argumente, die dagegen sprechen.

Von einem Smart Home spricht man insbesondere, wenn sämtliche im Haus verwendeten Leuchten, Taster und Geräte untereinander vernetzt sind, Geräte Daten speichern und eigene Logik abbilden können.

Wikipedia, Smart Home, abgerufen am 19.08.2021

Der kleine aber feine Unterschied liegt im Ausdruck untereinander vernetzt. Spätestens hier muss man sich eingestehen, dass es sich im Video um kein Smart Home handeln kann. Die Geräte mögen zwar eigene Daten speichern und auch Logiken abbilden können, übergreifend funktioniert das allerdings nicht.

Lebst du wirklich smart?

Basierend auf den Erkenntnissen aus den obigen Zitaten und meiner eigenen Erfahrung mit dem Thema Smart Home, habe ich mich an einen kleinen Entscheidungsbaum gewagt. Zugegeben, im Alltag mag dieser Entscheidungsbaum vielleicht wenig hilfreich sein. Als Argumentationshilfe dafür umso mehr.

Lebst du wirklich smart - Entscheidungsbaum

Wie du dabei sehen kannst, steht und fällt alles mit der Frage, ob sich vernetzbare Produkte im Haushalt befinden. Das ist in jedem Smart Home die Ausgangsvoraussetzung. Ohne vernetzbare Geräte kann keine Integration in ein System erfolgen und auch die Steuerung wird sehr schwierig oder sogar unmöglich.

Auch die zweite Frage ist nicht optional. Denn hier geht es um genau den Aspekt, den wir im letzten Absatz herausgearbeitet haben. Um Geräte mit übergreifenden Logiken versehen zu können, müssen diese miteinander kommunizieren können. Das kann entweder direkt passieren (z. B. über eine gemeinsame Zentrale) oder über Zentralen hinweg, indem eine Software zur Vereinheitlichung eingesetzt wird. Diese Software kann zum Beispiel ioBroker sein, das gerade im deutschsprachigen Raum sehr beliebt ist.

Die Frage nach Automatisierungen ist hingegen optional. Denn wenn ich ein System zur zentralen Steuerung einsetzt, kann ich all meine Geräte mit nur einer App kontrollieren. Automatisierungen übernehmen einen Teil der Steuerungsaufgaben für mich, müssen jedoch nicht zwingend umgesetzt sein. Hier kommt es sehr stark auf den Anwendungsfall an.

Anhand dieses Entscheidungsbaums wird wieder ersichtlich, warum das vorgestellte Zuhause des YouTubers kein Smart Home ist. Bei der dritten Frage fällt er völlig raus.

Achtung, Fehlinterpretation

Dass es bei der Entscheidung auch Fehlinterpretationen geben kann, zeigt ein Beispiel ganz deutlich. Wenn ich in meinem Zuhause ein Beleuchtungssystem von Philips nutze, gleichzeitig aber auch einen Luftreiniger, so können diese Geräte nicht miteinander sprechen.

Der Umstand, dass diese Geräte nicht zueinander kompatibel sind, liegt ganz klar im verwendeten Funkstandard. Während Philips bei der Einbindung von Geräten auf Zigbee setzt, verwendet der Luftreiniger mein hausinternes WiFi-Netzwerk, um sich steuern zu lassen. Lediglich zur Integration ins Heimnetzwerk verwenden beide Geräte das IP-Protokoll. Diese Gemeinsamkeit genügt aber nicht, um die Geräte miteinander sprechen zu lassen.

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Nun könnte man anhand dieses Umstand darauf schließen, dass die Geräte untereinander nicht kommunizieren und es sich demnach nicht um ein Smart Home handelt.

Richtig und falsch.

Ohne weitere Hilfsmittel ergibt sich aus den gewählten Komponenten kein Smart Home.

Verwende ich nun allerdings eine Software, die mir beide Geräte untereinander vernetzt und mir die Erstellung übergreifender Logiken erlaubt, kann man wiederum von einem Smart Home sprechen. Denn diese Software sorgt dafür, dass beide Geräte mit ihren individuellen Schnittstellen integriert werden und dank einer Abstraktion über die gleichen Steuerungsmöglichkeiten verfügen. Regeln lassen sich so zum Beispiel in ioBroker mit Blockly erstellen.

Wenn dir das nun zu kompliziert geklungen hat, lass es mich dir ein wenig einfacher erklären.

Jedes Smart Home besteht aus vernetzbaren Geräten. Aber nicht alle vernetzbaren Geräte bilden ein Smart Home.

Es kommt immer auf den entsprechenden Betrachtungswinkel an und die eingesetzten Komponenten. Manchmal genügt es schon, dem Smart Home ein weiteres Gerät oder eine weitere Software hinzuzufügen, um von einem Smart Home sprechen zu können.

Was lernen wir daraus?

Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist es, dass man nicht in jedem Fall von Smart Home sprechen kann. Hier kommt es häufig zu Missverständnissen, die teils für große Enttäuschung sorgen können. Es gibt genauso wenig ein bisschen Smart Home. Du kannst ja schließlich auch nicht ein bisschen Auto besitzen. Oder ein bisschen Smartphone haben.

Bei manchen Dingen im Leben gibt es nur ein entweder oder. Auch wenn das schwer zu glauben ist.

Was ich für meinen Teil gelernt habe ist, dass ich Dinge kritisch hinterfrage. Auch bei mir selbst. Ist das, was ich da gerade tue wirklich smart oder nur eine Krücke, die mir etwas vorgaukelt? Spreche ich zurecht von einem Smart Home, wenn ich dir in meinem Blog davon erzähle?

Ich persönlich lerne außerdem daraus, dass Worte wie ultimativ immer eine starke Bedeutung haben und nur gezielt eingesetzt werden sollten. Niemand hat die absolute Wahrheit oder etwas ultimatives. Das liegt vor allem daran, dass die Lösungen viel zu individuell sind und sich im Laufe der Zeit verändern. Daher kann man bei Smart Home durchaus auch von einem sich stetig wiederholenden Prozess sprechen.

Deutlich wird das vor allem dann, wenn man zwei Lebensabschnitte miteinander vergleicht. Als Single setzt man womöglich sehr viel daran, das Entertainment zu perfektionieren. Sobald es allerdings um das Familienleben geht, wird vielleicht die Sicherheit wichtiger und die Alarmanlage wird ein großer und wichtiger Bestandteil des eigenen Zuhauses.

Das Smart Home passt sich im Laufe der Zeit immer wieder neu an unsere Bedürfnisse an. Den Status ultimativ wird man daher vermutlich nie erreichen, denn unsere Vorstellungen, Wünsche und Anforderungen verändern sich mit der Zeit. Was heute noch als das ultimative Smart Home gesehen wird, kann im nächsten Jahr schon wieder völlig out sein. Und damit meine ich nicht out im Sinne des technischen Fortschritts. Dieser ist bei der Betrachtung noch gar nicht mit eingeflossen, hat aber durchaus auch einen maßgeblichen Anteil.


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Lukas

Als Softwareentwickler und Projektmanager mit einem Master of Science in Wirtschaftsinformatik weiß ich genau, wie die Dinge in der IT zu funktionieren haben. In meinem Blog kombiniere ich seit mehr als 7 Jahren mein Wissen mit meiner Neugier im Bereich Smart Home. Transparenz und Praxisnähe stehen für mich dabei im Vordergrund. Mein Fokus liegt vor allem auf der Software ioBroker, da ich mein eigenes Smart Home damit betreibe. Meine Beiträge basieren somit nicht nur auf theoretischem Know-how, sondern auch auf praktischen Erfahrungen aus meinem vernetzten Zuhause. Mein persönliches Ziel ist es, dir Einblicke in das Smart Home zu geben, die dich wirklich voranbringen.

2 Kommentare

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Robin · 27. August 2022 um 12:24

Also ich finde ja ein Haus/Wohnung bei der zwar die Geräte vernetzt sind, ich sie aber nur per App oder GUI bedienen muss, noch nicht Smart. Richtig Smart wird es für mich wenn ich die Geräte per Sprache (z.B. mit Alexa) steuern kann…

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    Lukas · 27. August 2022 um 13:52

    Hallo Robin,

    genau an der Aussage zeigt sich, dass „smart“ eben nicht für jeden gleich ist. Und das finde ich sehr spannend.
    Für mich persönlich ist smart schon, wenn Gerät miteinander vernetzbar sind und sich daraus Logiken ergeben. Ich also anhand von Skripten mein Zuhause steuern kann.
    Das Steuern über den Sprachassistenten ist eine Möglichkeit zur Bedienung. Er allein wird aber das Zuhause nicht smart machen.

    Das Schöne am Smart Home ist ja aber, dass es unterschiedliche Ansätze und Lösungsmöglichkeiten gibt. Daher ist weder deine, noch meine Aussage falsch oder richtig.
    Eigentlich müsste man sagen, dass es genau dann smart ist, sobald es sich für einen selbst gut anfühlt.

    Smarte Grüße

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